Arbeitsbuch PRAXIS · Ausgewählte Werke im Arbeits- und Ausstellungskontext
Wo kommen bloß die Werke her und was hält sie zusammen?
Das Arbeitsbuch PRAXIS ist der Versuch, den Ursprung der Arbeiten aufzuspüren; den inneren Zusammenhang, Gemeinsamkeiten und Verwandschaften aufzudecken. Damit soll die Voraussetzung geschaffen werden, die Impulse für Arbeitsentscheidungen aufzuspüren und zu strukturieren, damit sie womöglich lenkend eingesetzt werden können. Diese Buch ist also der Versuch, die Kette der bildnerischen Entscheidungen zu zergliedern und zu systematisieren, um die Gedankenkette zukünftig damit zu beeinflussen. Doch diese Kette veräuft weder linear noch kausal noch zwingend, sondern wild und anarchisch..........
Indem das Arbeitsbuch das Grundmuster für die thematischen und motivischen Zusammenhänge in der Assoziationskette aufzeigt, kanalisiert es den Arbeitsstrom und gibt Aufschluss über seine Zielrichtung. Rückblickend sind Arbeitsschritte und -ergebnisse besser zu vergleichen und einzuordnen. Der ideelle und der materielle Arbeitskontext, Voraussetzungen und Bedingungen lassen sich recherchieren und beleuchten. Auskunft darüber geben Skizzen, Notizen, Quittungen, Fotos, relevante Begegnungen, Ereignisse, Vorbilder, festgehalten und aufbewahrt in Bücherkisten, Zettelkästen, Briefbündeln, Fotobüchern, Aktenordnern, Diamagazinen, Materialregalen, CDs und DVDs. Dies alles wird durchforstet und ausgewertet und den Projekten zugeordnet, auf die sie sich beziehen. Es entstehen Materialcollagen, die Skulpturen, Objekte, Zeichnungen, Filme, temporäre und nicht verwirklichte Projekte aus 30 Produktionsjahren in ihrem Entstehungskontext zeigen.
Die Erschließung der thematischen und motivischen Zusammenhänge beginnt mit der Auflösung der Chronologie, da die Entstehungszeit hier keine Rolle mehr spielt. Zeitvergleiche stören die Suche nach inhaltlichen Strukturen, weshalb Jahreszahlen wie auch Titel und alle anderen Sachinformationen in das Register im Anhang verbannt werden. Die Buchseiten transportieren nur die Bildcollagen, die aus verwandten Inhalten Themenkomplexe bündeln und auf aufeinander folgenden Projektseiten fixieren. Abbildungsgröße repräsentiert Wertigkeit, so daß Schlüsselprojekte möglichst groß- und Kontextmaterial kleinformatig abgebildet werden.
Im Endergebnis zeigt ein solches Arbeitsbuch kontinuierliche Assoziationsströme, in denen die abgebildeten Projekte die Stationen markieren. Es gibt aber noch Fehlstellen, „missing links“, die den Strom unterbrechen und den Fluss des Buches in Abschnitte zerlegen.
Doch - der Assoziationsprozess geht weiter und füttert fortwährend das begleitenden Arbeitsbuch. So verlaufen nun schon seit zehn Jahren zwei eigentlich parallele Prozesse symbiotisch und metamorph. Es ist nicht auszuschließen, dass das Buch inzwischen selbst auf die zugrunde liegenden Assoziationsstrukturen einwirkt; nicht, wie man meinen möchte, um diese zu zähmen sondern weil es selbst eine Struktur besitzt, die von Anarchie geprägt ist.............
Ulrich Haarlammert · Münster · 25. März 2013